Wir spielen unser Instrument im Dunkeln
- Sibylle
- 23. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Als ich ins Gymnasium wechselte und das musische Profil mit Sologesang begann, war ich voller Hoffnung und Erwartungen. Ich hatte mir so viel von dieser neuen Erfahrung erhofft, denn ich wollte endlich die Kontrolle über meine Stimme erlangen. Doch die Realität stellte sich als etwas komplexer heraus, als ich es mir vorgestellt hatte.
Singen ist, als würde man sein Instrument immer nur im Dunkeln spielen. Man hat das Instrument auch noch nie gesehen und weiss gar nicht ob es Tasten oder Knöpfe sind, die man da bedienen muss. In den Gesangsstunden im Gymnasium fühlte es sich genauso an: jede Woche musste ich in diesen dunkeln Raum gehen - zuerst noch das Instrument suchen - dann hörte ich meinen Gesangslehrer einen Ton auf seinem etwas tiefer erklingenden Instrument spielen - nun ist es an mir diesen Ton irgendwie zu reproduzieren. Ich tappte wirklich oft im Dunkeln und es fühlte sich nicht gut an. Schnell verlor ich das Interesse und die Hoffnung irgendwie gesangliche Ziele zu erreichen. Mit dem Druck des schulischen Settings stieg auch der Druck auf meine Stimme und ich entwickelte allmählich eine Stimmscham - niemand wollte sich das anhören, da war ich mir sicher!
Obwohl ich einige neue Begriffe lernte und mein Wissen über den Gesang erweitern konnte, blieb das Gefühl, wirklich die Kontrolle über mein Instrument zu haben, aus. Oft fühlte ich mich, als würde ich gegen meine eigene Stimme ankämpfen, anstatt mit ihr zu harmonieren. Bis zum Ende der Gymnasialzeit hatte ich besonders mit dem aller ersten Ton mühe - ich fand einfach nicht in den 'Singmodus' hinein. Wie gerne hätte ich meinem 18-jährigen ich damals geflüstert, dass ich noch so viel Spass am Experimentieren mit meiner Stimme haben werde. Doch der Weg hat sich noch etwas in die Länge gezogen...

Comments